Bürgerbeteiligung und Teilhabe

Wir kennen es aus unserem Alltag: Eltern in der Schule, Einwohner*innen im Stadtteil, Menschen in ihren Religionsgemeinschaften und Mitglieder in Vereinen bringen sich ein in Belange, die sie unmittelbar oder mittelbar betreffen, übernehmen Verantwortung, planen und gestalten das gesellschaftliche Leben aktiv mit. Jenseits der privaten Interessen jedes Einzelnen erwächst erst aus solchem Engagement das größere Ganze einer lebendigen Zivilgesellschaft.

Wenn es nun daran geht, unsere Gesellschaft und unsere Stadt so umzugestalten, dass wir die Nachhaltigkeitsziele 2030 und die Klimaziele 2050 erreichen, dann sind wir alle gefordert. Denn die Frage, wie wir in Rheine leben wollen, geht uns alle an – im Quartier, im Stadtteil, in der ganzen Stadt. Antworten auf diese Frage können nicht „von oben“ verordnet werden. Alle interessierten Betroffenen müssen mitreden und mitentscheiden können, damit möglichst viele sich anschließend tatkräftig in die Umsetzung einbringen. Nur unter engagierter Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger werden wir die Energiewende, die Mobilitätswende, eine zeitgemäße Quartiersentwicklung und eine lebendige Stadtkultur verwirklichen können.

Daher setzen wir GRÜNE in Rheine uns politisch ein für eine umfassende „Beteiligungskultur“, die deutlich über die vorgeschriebene Beteiligung der Öffentlichkeit im standardisierten Ablauf eines Planungsverfahrens hinausgeht.

„Bürgerbeteiligung“ gliedert sich für gewöhnlich in vier unterschiedliche Beteiligungsebenen:

1.            informieren – das absolut notwendige Minimum in jedem Planungsverfahren

2.            konsultieren – oft als (unverbindliche) Auftaktveranstaltung dem Prozess vorgeschaltet

3.            einbeziehen – die zu Beteiligenden in alle Schritte der Planung und Realisierung mit einbinden

4.            kooperieren – gemeinsam geplante, gemeinsam realisierte Projekte auch gemeinsam betreiben

Für die Stadtentwicklung gilt im speziellen, was für die Demokratie ganz allgemein gilt: Größte Akzeptanz erreicht man nur dann, wenn die Lösung gemeinsam mit den Betroffenen erarbeitet wurde.

Wir GRÜNE in Rheine setzen uns für eine Bürgerbeteiligung im Umfang möglichst aller Beteiligungsebenen ein. In diesem Sinne wollen wir GRÜNE in Rheine die Stadtteilbeiräte weiterentwickeln zu vorpolitischen Einwohner*innen-Vertretungen mit eigenem Verantwortungsbereich und eigenem Budget. Eine aktive Bürgerschaft kann im Bereich des Dritten Sektors jenseits von Staat und Verwaltung manches im Quartier eigenverantwortlich selbst organisieren, oft sogar mit weniger Aufwand und daher kostengünstiger.

Zur Stärkung des öffentlichen Lebens schlagen wir GRÜNE in Rheine im Sinne des Konzept nicht-kommerzieller „Dritter Orte“ vor, in den Quartieren – unter Beteiligung der dort lebenden Menschen – öffentliche Treffpunkte einzurichten, die zu unterschiedlichen Tageszeiten von unterschiedlichen Gruppen zu unterschiedlichen Zwecken genutzt werden können. Ein solcher Quartiers-Treff sollte „Ort“ des Stadtteilbeirates sein, also auch einen Versammlungsraum für öffentliche Diskussionen und Planungen bieten. Zu festgelegten Zeiten kann er als Anlaufstelle der Stadtverwaltung für die Menschen im Quartier dienen („Bürger*innen-Büro“) sowie als Ort für die Sprechstunde des Bürgermeisters / der Bürgermeisterin. Wird er mit Bistro-Charakter hergerichtet, kann er morgens für ein gemeinsames Frühstück, mittags für einen Imbiss, nachmittags als Café und abends als Pinte genutzt werden. Wo eine Nahversorgung nicht gewährleistet ist, könnte er auch diese – vielleicht genossenschaftlich zu organisierende – Aufgabe mit übernehmen.

Zwei Beispiele verdeutlichen die Spannweite vor Ort praktizierter „Bürgerbeteiligung“: Von 1983 bis 2018 haben die Stadt Rheine und der Förderverein Kloster/Schloß Bentlage e.V. für die Umnutzung des Schlosses zur Kulturellen Begegnungsstätte gemeinsam das Konzept erstellt, haben von 1991 bis 2000 gemeinsam Schritt für Schritt die Umnutzung realisiert und die fertiggestellte Anlage dann als gemeinnützige GmbH gemeinsam betrieben – ein weithin gelobtes Musterbeispiel gelungener Bürgerbeteiligung auf allen vier Ebenen. Als dagegen 2018 in der EWG entwickelte und in nicht-öffentlichen Sitzungen politisch auf den Weg gebrachte Pläne für ein 250-Betten-Event-Hotel in Bentlage öffentlich wurden, entwickelte sich eine ganz anders geartete „Bürgerbeteiligung“: Die vereinigten „Partner für Bentlage“ bildeten – gegen alle Gesprächsverweigerung der Stadtverwaltung – eine wirkungsvolle Protest-Initiative, deren starker Rückhalt in der Bevölkerung zu einem Umdenken in der Politik führte. Als die im Rahmen des vorgeschriebenen Beteiligungsverfahrens kompetent verfassten Einwendungen aus der Bürgerschaft auf Verständnis auch bei den Schutzbehörden stießen, lenkte auch die Stadtverwaltung ein. Alle Planungsmühe war umsonst, der angerichtete Schaden immens.

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