Rathauszentrum

Hintergrundinformationen zum Grundsatzbeschluss zur Funktionserweiterung und Neustrukturierung des Rathauszentrums (RHZ) einschließlich eines neuem Multifunktionssaal und neuen Räumlichkeiten für die Stadtbibliothek.

Wir als Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen möchten Ihnen mit diesen Hintergrundinformationen, die wir zukünftig regelmäßig ergänzen und aktualisieren wollen, vertiefende Einblicke rund um den Umbau und die Erweiterung des Rathauszentrums geben. Uns ist es wichtig, dass Sie verschiedene Blickwinkel auf dieses Projekt erhalten und sich selber eine Meinung und Position zu diesem Projekt bilden können. Wir freuen uns, wenn Sie sich aktiv mit Fragen, Anmerkungen oder Anregungen beteiligen.

Zur Ratssitzung am 07.01.2021 und weiteren Aspekten zum Umbau RHZ:

Der Antrag der Grünen Fraktion im Rat zur unabhängigen Überprüfung der vorgelegten Kostenberechnung zum Umbau des Rathauszentrums samt Multifunktionssaal und Stadtbibliothek ist aufgrund der Aussage der Verwaltung, dass diese Überprüfung von der Projektsteuerung durchgeführt werde, abgelehnt worden. Die GRÜNEN hatten diese Überprüfung für den Fall gefordert, dass es eine solche Überprüfung bisher nicht gebe. Das Problem – sie ist beauftragt, doch der Bericht lag zum Zeitpunkt der Fassung des Grundsatzbeschlusses nicht vor. Die Verwaltung hatte also ihre Hausaufgaben „aus Zeitgründen“ nicht gemacht.

Es wurde von CDU/FDP und SPD ein Bauprojekt in Höhe von 71 Mio. € beschlossen auf der Grundlage einer nicht abgeschlossenen und nicht verifizierten Kostenberechnung, die noch mit geschätzten Sicherheitsmargen für eine Vielzahl von Positionen arbeitet, die eigentlich in dieser Phase und zu diesem Zeitpunkt berechnet und geprüft vorliegen hätten müssen!

Kommen weitere Kostensteigerungen?

Hinzu kommt, dass die Kostenberechnung nur ein Zwischenschritt ist: Auf die Frage nach möglichen weiteren Kostensteigerungen bei Ausschreibung der Leistungen gab es seitens der Verwaltung keine Antwort. In Ihrem Eingangsstatement auf der Sondersitzung des Rates am 07.01.2021 hatte Frau Schauer aber nochmals darauf hingewiesen, dass sich die Deckelung auf 65 Mio. €, die die Verwaltung versprochen hat, nur auf die Kostenberechnung der Leistungsphase 3 bezieht.

Zur Verdeutlichung, wie die Planungsphasen in einem Bauprojekt verlaufen und die möglichen Abweichungen in der Kostenermittlung sein sollten, haben wir die folgende Graphik zur Veranschaulichung beigefügt:

Genauigkeit der Kostenermittlung aus Kochendörfer et al. 2010

aus: Bernd Kochendörfer, Jens H. Liebchen, Markus G. Viering: Bau-Projekt-Management: Grundlagen und Vorgehensweisen. (Leitfaden des Baubetriebs und der Bauwirtschaft). 4. Auflage. Vieweg & Teubner Verlag, 2010

Die GRÜNE Fraktion hatte im Vorlauf der Ratssitzung schon eine Liste mit Fragen an die Baudezernentin Milena Schauer versandt, die aus grüner Sicht durch die der Verwaltung nicht vollkommen geklärt werden konnten. Vor allem aber gibt es noch keine konkretisierten Aussagen, an welchen Stellen des Bauvorhabens die 6,4 Millionen Differenz zwischen Kostenentwurf und jetzt versprochener Deckelung eingespart werden sollen.

Im Verwaltungsstatement wurde auch betont, dass weitere Maßnahmen, die eng mit dem Projekt zusammenhängen, als eigene Projekte, getrennt vom Rathausumbau gesehen werden müssten. So befänden sich Kosten für Veränderungen in der Tiefgarage oder für die Gestaltung der umliegenden öffentlichen Flächen nicht in direktem Zusammenhang mit der aktuellen Umbauplanung. Diese Kosten werden also dem Rathausumbau nicht zugerechnet. Auch wurden die Kosten für die Inneneinrichtung (Kostengruppe 600) von der Verwaltung grob mit 2,2 Mio. EUR geschätzt. Aber auch diese Kosten wurden nicht mit in den Grundsatzbeschluss von 07.01.2012 einbezogen. Für uns Grüne ist das eine offensichtliche Salamitaktik, um die Gesamtkosten des Projektes zu verschleiern.

Auf die Argumente der Grünen Fraktion, dass die vorliegende Planung noch nicht ausgereift und mit großem Risiko weiterer Kostenerhöhung behaftet sei, wurde kaum eingegangen. Vielmehr wurde seitens der CDU, SPD und FDP dahingegen argumentiert, dass die Maßnahmen nicht etappenweise, sondern an einem Stück durchzuführen wären. Die Grüne Fraktion wurde in ihrer Argumentation, dass die Notwendigkeit der Maßnahmen außer Frage stände, aber der Zeitpunkt zu früh gewählt sei, von den Fraktion Die Linke, der UWG und der BfR unterstützt. Die Fraktion der Grünen fordert mehr Klarheit darüber, was diese Umbaumaßnahmen kosten und ob nicht noch gegengesteuert werden muss. Deswegen sagen wir, dass wir uns mehr Zeit nehmen sollten, die Kosten zu prüfen.

Weitere Überprüfung vor Freigabe der Auftragsvergabe abgelehnt

Anschließend wurde auch noch ein Antrag der GRÜNEN zur Änderung der Beschlussfassung abgelehnt. In dieser Änderung wurde die Befassung des Bauausschusses mit der abschließenden Kostenberechnung vor Nachreichung der Unterlagen an den Fördermittelgeber gefordert sowie eine Möglichkeit zur Planungsänderung, falls der Kostenrahmen nicht gehalten werden kann. Ebenso sollten die Abbruchmaßnahmen des Hertie-Komplexes erst dann ausgeschrieben werden, wenn die Kostenprüfung im Bauausschuss positiv bewertet wurden. Wichtigste Forderung war aber die Vergabe der nächsten Planungsleistungen bis die Kosten vollständig und geprüft sind noch nicht zu beschließen.

Zuvor hatte die Fraktion der LINKEN eine Verschiebung der Beschlussfassung aufgrund der vielen Neuinformationen beantragt, was ebenfalls von der Mehrheit abgelehnt wurde. Die Abstimmung über die Vorlage zum Projekt „Funktionserweiterung, Neustrukturierung und Modernisierung des Rathauszentrums einschließlich neuem Multifunktionssaal und Stadtbibliothek“ wurde anschließend auf Antraf der Fraktion der BfR namentlich durchgeführt, wobei alle Grünen Fraktionsmitglieder aufgrund der vielen offenen Punkte und der unnötigen Drucksituation mit Nein stimmten.

Keine Zeit zum Prüfen

Grundsätzlich bleibt die Frage, warum der Bürgermeister in der Zeit, in der aufgrund der Corona-Situation alle anderen Sitzungen abgesagt werden, diese Sondersitzung des Rates durchgesetzt hat, wie schon im letzten März als es ebenfalls um den Bau des Rathauses ging.

Er selbst konnte ja aufgrund seiner Quarantäne nicht für das Projekt stimmen.

Offiziell wurde mit der Notwendigkeit, die Fördermittel in Höhe von maximal 8 Mio. € bis zum 15. Januar beantragen zu müssen, argumentiert. Denn ansonsten gäbe es weitere Baukostensteigerungen durch die Verzögerung um ein Jahr. Doch einerseits ist nicht sicher, ob die Förderung kommt – der Topf ist überzeichnet – und andererseits steht die Frage im Raum, ob nicht aufgrund der (erst Anfang Dezember bekannt gewordenen Baukostensteigerung) auch noch weitergehende konzeptionelle Einschnitte diskutiert werden müssten. Dazu fehlte den Fraktionen aber die Zeit: Am 11. Dezember haben die Fraktionen die Unterlagen erhalten, am 17. Dezember war Bauausschuss. In einem Ausschuss in dem von 22 Mitgliedern 15 ganz neu waren und der zum ersten Mal nach der Konstituierung des neuen Rates tagte (Vorlagen 546 Seiten plus Haushaltsplan) wurde ein Empfehlungsbeschluss für die Sondersitzung am 07.01.2021 durchgeboxt.

Schaut man sich die in der Begründung des Beschlussvorschlags vorgestellten Meilensteine und den Bauzeitenplan an, kann man auch andere Motive für diese Eile finden.

Unser Fazit:

Der Beschluss der Umsetzung der Maßnahme, bei gleichzeitigem Freibrief, die nächsten Leistungsphasen zu vergeben, sobald ein Förderbescheid vorliegt, nimmt der Politik jedweden Einfluss auf ein „Abspecken des Bauprojektes“, wenn sich abzeichnet, dass die Kosten davonlaufen. 

Weitere Fragen:

Aufgrund der weit fortgeschrittenen Planung, die die neue GRÜNE Fraktion nicht mit begleitet hatte, hat sie sich bei der Argumentation gegen den Rathausneubau auf die Unsicherheiten bei der Kostenentwicklung konzentriert. Weitere wichtige Fragen, das hat auch die Debatte gezeigt, stehen aber noch im Raum:

  • es ist der Politik nicht klar, wie das Hotelprojekt eingeschätzt werden muss: Die Verweigerung des Diskurses mit dem Hinweis auf „Nichtöffentlichkeit“, was die Verhandlungen mit dem Investor angeht.
  • es fehlt offensichtlich eine inhaltliche Debatte zu den Raumbedarfen, insbesondere unter Berücksichtigung der anstehenden Digitalisierung. Hierauf verweist unter anderen die Fraktion UWG.
  • Wegfall der Notwendigkeit einer kurzfristigen Freiräumung des Grundstücks ehemals Hertie. Hierauf verweist unter anderen die Fraktion Die LINKE
  • Die Darstellungen des inneren „Verfalls“ des Rathauses, seines maroden Zustands wirkten reichlich übertrieben, nicht benannt wurden Maßnahmen der letzten Jahre zur Sanierung des Rathauses (z.B. der Fenster, Aufzüge, Nachrüstung Brandschutz)
  • Umzug der Stadtbibliothek war erst 2007, ein neues Konzept ist wünschenswert, aber ist es zu diesem Zeitpunkt richtig?

Ob diese Maßnahme in Zeiten von Corona überhaupt zu verantworten ist, haben wir bisher nicht abschließend diskutiert. Die Fraktion der BfR meint nein, denn sie befürchten die Notwendigkeit von Steuererhöhungen in den nächsten Jahren. Laut Verwaltung wird ja alles andere teurer, „weil es sowieso gemacht werden muss“. Die Sowieso-Kosten belaufen sich allerdings in dem umfangreichen Umbau auf 45 Mio. € (Heizung, Haustechnik usw.) ob das bei Beibehaltung der jetzigen Strukturen auch 45 Mio. € wären wissen wir nicht.

Zur Erinnerung: Was bisher geschah!

Die Vermarktung der Hertie-Fläche konnte laut Verwaltung nur durch Abkoppelung vom Rathaus erfolgen. Zunächst wurde daher im Rat der Stadt Rheine beschlossen, dort gemeinsam mit der Errichtung eines Neubaus auch das Rathaus zu ertüchtigen. Im März 2020 folgte dann der Beschluss einer Planungsvariante für das RHZ mit der wesentlichen Einschränkung „falls der Investor des Hotelprojekts (…) Abstand von seinem Investitionsvorhaben nimmt (…), werden die Planungen zum Rathausumbau unverzüglich gestoppt und der Politik zur erneuten Beratung und Entscheidung über die Fortführung vorgelegt.“

In der letzten Sitzung des alten Rates im Oktober 2020 folgte dann die Neupositionierung der Verwaltung. Diese schlug vor, das Hertie-Gebäude auf Kosten der Stadt abzureißen. Öffentliche Kritik war bei den vehementen Treibern dieses Projektes offensichtlich nicht erwünscht – Bürgermeister Lüttmann glaubte angesichts kritischer Fragen von UWG und FDP sogar bekunden zu müssen, kurz vor „einem Koller“ zu stehen. CDU-Ratsherr Manfred Konietzko sprang ihm zur Seite und warb für die Kostenübernahme durch die Stadt mit dem Argument, so könne man den Investor ja vielleicht wieder einfangen. Da hatte die CDU offensichtlich wohl ganz andere Informationen als die anderen Fraktionen. Wann bei der Ratsmehrheit die Neubewertung erfolgte, auch ohne Investor eines Neubaus das Rathaus vorrangig umzubauen, ist nicht klar; zumindest ist das „Ob“ mit den Oppositionsfraktionen nicht mehr besprochen worden.“

Verwandte Artikel